Scirocco – Chronologie

Mit dem ersten Scirocco debütierte 1974 ein erschwinglicher Traum

Sein Name bezeichnet einen warmen Wüsten­wind, den die Sahara in Richtung Mittelmeer treibt – Scirocco. Mit ihm, dem ersten frontgetrieben Coupé unter dem Label „VW“, demo­kratisierte Volkswagen vor mehr als drei Jahrzehnten die Welt der Sportwagen: Erstmals gab es ein erschwingliches, sparsames und dank Frontantrieb wirklich sicheres Coupé. Und wie 2008 galt dabei
schon 1974, dass der Scirocco dank seiner vier vollwertigen Sitz­plätze, eines ausgewachsenen Kofferraums und einer praktischen Heckklappe ein Allround-Sportwagen für jeden Tag des Jahres war. Genau diese Mischung der Talente überzeugte hunderttausende von Autofahrern. Für Volkswagen markierte die erste Generation des Scirocco den Beginn einer neuen Ära.

Hintergrund: Nur wenige Monate nach der Weltpremiere des Passat und kurz vor dem Start des damals gleichfalls neuen Golf leitete der Nachfolger des Karmann Ghia in Europa endgültig das Ende der Volkswagen mit Boxermotoren und Heckantrieb ein. Parallel machte der Scirocco ein neues Produktionssystem
salonfähig, das in der Automobilindustrie als Baukastenprinzip bald Furore machen sollte. Denn vieles, was die Kunden wenig später auch im Golf erhielten, besaß bereits der Scirocco.

Weltpremiere 1974 in Genf
Der 3,86 Meter lange Scirocco debütierte auf dem Genfer Salon des Jahres 1974. Er folgte, wie skizziert, dem intern Typ 14 genannten Karmann Ghia, der seit 1966 mit faszinierendem Design, bewährter Käfer-Technik und erschwinglichen Preisen Automobilgeschichte geschrieben hatte. Wie der Typ 14, entstand auch der unter dem Kürzel EA398 geführte Scirocco bei Karmann in Osnabrück.
Während der Karmann Ghia besonders Frauen überzeugte, sprach der von Italdesign in Turin entworfene Scirocco weibliche wie männ­liche Autofahrer gleichermaßen an. Mit klaren Linien, scharfen Kan­ten, betonter Keilform, niedriger Gürtellinie und knackigen Heck entsprach das Design der von Giorgio Giugiaro auch für den ersten Golf favorisierten Formensprache. Zugleich hob es sich deutlich von den barockeren Formen der Wettbewerber aus Nordrhein-Westfalen und Hessen ab.

Klassische Sportwagen-Proportionen
Das Coupé wirkte auf den Betrachter wie aus einem Guss. Sein Radstand (2,40 Meter) war so lang wie möglich, die gestreckte Hau­be und das kurze Fließheck mit integriertem Bürzel-Spoiler schufen gemeinsam mit den großzügigen Spurweiten klassische Sportwagen-Proportionen. Der in Wolfsburg konzipierte
Scirocco der Generation I war zudem eines der ersten Autos mit integrierten Regenleisten, was bestens zu seinem insgesamt sehr „sauberen“, schnörkellosen Auftritt passte.

Zum coolen Design addierte sich ein zeitgemäßes Technikpaket: Die Übersichtlichkeit war für ein Sportcoupé verblüffend gut, die große Heckklappe und klappbare Rücksitze machten den Scirocco zum Kombi-Coupé mit bis zu 533 Litern Ladevolumen. Darüber hinaus setzte Volkswagen auf modernste Antriebstechnik: quer eingebaute und jetzt natürlich wassergekühlte Motoren, deren obenliegende Nockenwelle über einen geräuscharmen Zahnriemen angetrieben wurde. Zur vorderen Federbein-Einzelradaufhängung mit Dreiecks­lenkern und
negativem Lenkrollradius kam als echte Innovation eine Verbundlenkerhinterachse.

„Schottenkaros“ im Stil der Zeit
Das Interieur des ersten Scirocco entsprach dem Stilempfinden der 70er Jahre. Die karierten Schottenmuster der Sitzbezüge im Top-Modell TS lagen ebenso im zeitgenössischen Trend-Spektrum, wie Cordstoffe oder ein Lenkrad mit drei gründlich durchlöcherten Speichen. In den sportlicheren Versionen spendeten zwei Zusatzinstrumente (Zeituhr und Voltmeter) in der Mittelkonsole einen zusätzlichen Schuss optische Dynamik. Im Rahmen einer ersten Modellüberarbeitung ersetzte Volkswagen das Lenkrad später durch eine Version mit tief ausgeformtem Pralltopf – im Volksmund durchaus liebevoll „Spucknapf“ genannt.

Zur Markteinführung im Juni bot Volkswagen das neue Coupé mit drei Motoren an: 1,1 Liter mit 50 PS sowie 1,5 Liter mit 70 PS und 85 PS. Die Schaltgetriebe begnügten sich noch mit vier Vorwärts­gängen, die optionale Automatik mit drei Fahrstufen.

Der schärfste Wüstenwind stürmte mit Tempo 175
Je nach Ausstattung (Basis, L oder TS) trug ein Scirocco der ersten Generation eckige Einzel- oder runde Doppelscheinwerfer. In der stärksten Variante, dem Scirocco TS, erreichte der Sportwagen für jene Zeit beachtliche 175 km/h und absolvierte den klassischen Sprint von 0 auf 100 km/h in elf Sekunden; Volkswagen machte ernst in Sachen Sportlichkeit.
Die Kunden hatten verstanden: Noch 1974 setzte das Unternehmen 24.555 Scirocco ab, im ersten vollen Produktionsjahr (1975) waren es bereits 58.942 Einheiten. Eine repräsentative Umfrage unter Scirocco-Käufern bestätigte die Richtigkeit des im Lastenheft ver­ankerten Konzepts: 42 Prozent kauften den Volkswagen aufgrund seines Designs, 25 Prozent wegen der Sportlichkeit und für immerhin elf Prozent war „Wirtschaftlichkeit“ das Hauptkriterium für den Kaufentscheid.

Manfred Winkelhock begann seine Karriere im Scirocco
1976 gelang Volkswagen mit dem Scirocco-Cup dann ein Marketing-Coup erster Güte. Für den neu ins Leben gerufenen Junior-Cup wurde bei Volkswagen Motorsport in Hannover eine Sonderserie von 50 identischen und einheitlich schwarz lackierten Fahrzeugen aufgelegt. Auf einem dieser 110 PS starken Modelle verdiente sich kein Geringerer als der spätere Formel-1-Pilot Manfred Winkelhock seine ersten Sporen im Motorsport: Der Schwabe gewann nicht nur das Finale in Hockenheim, sondern strich während der Saison auch Preisgelder in Höhe von damals sagenhaften 30.000 DM ein.

Da sollten Nicht-Rennfahrer nicht abseits stehen – dachte sich Volkswagen – und bot ab Sommer 1976 den durch eine Bosch-K-Jetronic gespeisten 110-PS-Motor im Scirocco GTI auch für den regulären Straßenverkehr an. Das mit einer um 14 Millimeter brei­teren Spur versehene und 185 km/h schnelle Modell fuhr auf der Autobahn vor allem in Sachen Elastizität so manch einer großen Limousine auf und davon. Die GLI-Version hatte zwar auch 110 PS unter der flachen Haube, betonte aber mit bronze getönten Scheiben, hochwertigeren Stoffen und Metallic-Lack luxuriöse Attribute.
Zum Modelljahr 1978 unterzog Volkswagen den Scirocco einer be­hutsamen Modellpflege. Die vorderen Blinker und die mit dunklen PVC-Rammschutzprofilen überzogenen Stoßstangen wurden um die Kotflügel herumgezogen, die B-Säulen schwarz getönt. Zugleich er­hielt der Kühlergrill einen Zierrahmen. Die Motorenstaffelung lautete nun: 50, 70 und 110 PS.
Die dezente Überarbeitung kam zur Hochblüte des Scirocco-Pro­gramms: 1977 gingen weltweit 87.902 Scirocco neu in den Verkehr; in Deutschland hatte Volkswagen im Segment der sportlichen Coupés einen Marktanteil von 15 Prozent erobert. Als im Februar 1981 der letzte von 504.153 Scirocco der ersten Generation das Band im Karmann-Werk Osnabrück verließ, war die konsolidierte Marke Volkswagen auch durch den Verdienst des kleinen Sportwagens längst auf dem Weg nach ganz oben.

Der Scirocco II folgt 1981
Auch der Scirocco der zweiten Generation (EA 491) basierte auf der technischen Plattform des Golf I; wie sein Vorgänger wurde er zudem wieder bei Karmann produziert. Der insgesamt weicher gezeichnete Scirocco II wirkte dank der von 3,86 auf 4,05 Meter gestreckten Länge sehr elegant und bot als Folge auch mehr Platz für Personen und Gepäck. Hinzu kam eine weiter optimierte Aerodynamik (cw-Wert = 0,38) und eine noch sparsamere Antriebstechnik. Im Mai 1981 stand der Neue in den Verkaufsräu­men der Volkswagen Händler. Und zwar mit 60 PS (1,3 Liter), 70 PS (1,5 Liter), 85 PS (1,6 Liter) und 110 PS (als GTI und GLI). Die Werbung knüpfte an Slogans für den ersten Scirocco an: „Wäre er nur schön, wäre er nicht von uns“ oder „Gestatten Sie, dass wir auch in Gegenwart eines so aufregenden Autos übers Sparen reden“, hieß es in zwei Kampagnen zur Markteinführung.
Im Juli 1985 erschien der stärkste Serien-Scirocco seiner Zeit: Der 208 km/h schnelle GTI/GTX mit einem 1,8 Liter großen Vierventil-Motor und Bosch-KA-Jetronic. Mit hinteren Scheibenbremsen, ver­stärkten Querlenkern und Antriebswellen sowie größerem Heck­spoiler hatte Volkswagen den in 8,1 Sekunden von 0 auf 100 km/h stürmenden Wirbelwind an die höhere Leistung angepasst. In Ver­bindung mit dem zu dieser Zeit noch nicht obligatorischen Drei­wege-Katalysator leistete das auch im Golf eingesetzte Aggregat 129 PS; ohne den Abgasreiniger wurden sogar 139 PS frei. „Ventile wie ein Weltmeister“, titelte die Volkswagen Werbung für den bis 1990 gebauten Scirocco mit dem roten „16V“-Emblem im Grill.

Weiß war beim Scirocco schon 1985 eine Trendfarbe

Zwischen 1983 bis 1987 brachte Volkswagen in kurzer Reihenfolge eine Serie von Sondermodellen auf den Markt. Es begann mit dem „GTS“, dem der „GTX“ folgte. Dieser trug erstmals eine am hinteren Dachende montierte Antenne zur Schau.
Die nur in „Alpin-Weiß“ erhältliche Sonderedition „White Cat“ des Jahres 1985 zeigt aus heutiger Sicht, dass Weiß bereits in den 80er-Jahren eine Trendfarbe war. Der Scirocco „Tropic“ von 1986 gab sich dagegen betont bunt: Außen in den Farben „Madisontürkis“ oder „Kiwibraun“, innen mit „Oliv/Türkis“ gestreiften
Sitzbezügen. Der im gleichen Jahr lancierte „Scala“ bot als spezielle Attraktion einen in Wagenfarbe lackierten Rundum-Spoilersatz.

Ab 1989 kamen im Scirocco zwei Motoren mit 1,6 Litern (72 PS und ungeregeltem Kat) und 1,8 Litern Hubraum (95 PS, Einspritzung samt geregeltem Kat) zum Einsatz. Die letzte gebaute Version, der „GT II 16V“, war mit Stahlschiebedach, Colorverglasung, Servo­lenkung und höhenverstellbaren Sportsitzen üppig ausstaffiert. Im letzten Modelljahr kamen noch Dreipunktgurte für die Rückbank und seitliche Zusatzblinker hinzu. Doch die Tage der zweiten Scirocco-Generation waren gezählt – am 7. September 1992 verließ das letzte von 291.497 gebauten Exemplaren die Werkshallen. Zurückblickend gilt, dass der Scirocco fast zwei Jahrzehnte ein herausragender Erfolg gewesen ist. An diese glänzende Bilanz gilt es anzuknüpfen; die dritte Generation des Scirocco hat das Potential dazu.